Abstract Momentum 10 Track 8 „Hegemonie in der Mediengesellschaft”
„Das Realismusproblem von Gesellschaftskritik in der Mediengesellschaft. Am Beispiel der Studierendenbewegung Unibrennt”
Einleitung
Fünf Kernforderungen erhob die Studierendenbewegung Unibrennt im September 2009: Die Studierenden sollten ganzheitlich gebildet, statt nur für den Arbeitsmarkt ausgebildet werden, die in ihrem Umfang zunehmende Prekarität der Dienstverhältnisse an den Hochschulen sollte beendet werden, ein freier Hochschulzugang ohne jegliche Zugangsbeschränkungen sollte durchgesetzt werden, die (Re-)Demokratisierung der Hochschulen und ihrer Gremien wurde als Ziel propagiert, schließlich sollten die Hochschulen hinsichtlich der gesellschaftlichen Bedürfnisse ausfinanziert werden. Diese Forderungen lassen sich nur teils als explizite Ge-sellschaftskritik verstehen, jedoch ist es möglich diese gesellschaftskritisch zu interpretieren, indem die von Studierenden aufgeworfenen Probleme in einen gesamtgesellschaftlichen Rahmen gestellt und Ähnlichkeiten und Wechselbeziehungen zu anderen gesellschaftlichen Problemfeldern und artikuliertem Protest verdeutlicht werden. In diesem Sinn ging in die diversen Forderungskataloge von Unibrennt eine gesellschaftskritische Perspektive mit ein. So etwa im Grundsatzpapier der Salzburger Bewegung, dort heißt es: „Unsere Forderungen präzisieren und konkretisieren unsere Grundsätze, wie andererseits unsere Grundsätze die Stoßrichtung unserer Forderungen vorgeben. Unsere Bewegung erhält sich bewusst die Phantasie, dass eine Gesellschaft ohne Herrschaft möglich ist. Herrschaft wird heute strukturell ausgeübt und gleichzeitig durch Akteur_Innen reproduziert. Wir identifizieren Herrschaft in unserer Gesellschaft entlang drei Hauptdimensionen: Sie wird aktuell vor allem durch Klassen-, Rassen- und Geschlechterunterschiede etabliert. Auf dem Weg zu einer dem Menschen angemessenen Gesellschaft wird es darauf ankommen, sowohl die Strukturen der Herrschaft zu durch-brechen, als auch, dass jede/r Einzelne in Solidarität mit den Anderen darüber nachdenkt, was sie/ihn beherrscht und dementsprechend handelt!“ (Unibrennt Salzburg 2009)
Ziel dieses Beitrags ist es, die Kommunikationsstrategien von sozialen Bewegungen in Bezug auf ihren gesellschaftskritischen Gehalt anhand des Beispiels der Unibrennt Studierendenprotestbewegung zu analysieren. Während die theoretische Analyse dabei vorwiegend auf die Theorie alternativer Medien, die Kritische Theorie und eine kritische politische Ökonomie der Medien zurückgreift, basiert die Auseinandersetzung mit dem Fallbeispiel Unibrennt vornehmlich auf der Erfahrung beider Autor_innen innerhalb der Salzburger Unibrennt Bewegung. Zur Auseinandersetzung mit den Kommunikationsstrategien gesellschaftskritischer Bewegungen wird in diesem Beitrag zunächst über die generelle Bedeutung und Relevanz von Medienberichterstattung und öffentlicher Meinung für Protestbewegungen reflektiert (1). In einem nächsten Schritt wird zwischen Selbstkommunikation durch eigene Medien (alterna-tive (online-)Medien) und Fremdberichterstattung durch etablierte Medien unterschieden.
Dabei gilt es einerseits beide Kommunikationswege hinsichtlich ihres Potentials zur Ermöglichung von Gesellschaftskritik und zur Förderung gesellschaftlicher Veränderungen zu analysieren, und andererseits dessen Realisierungschancen unter den Bedingungen einer kapitalistischen Gesellschaft abzuwägen (2). Darauf aufbauend wird der Blick auf nicht medienspezifische gesamtgesellschaftliche Prozesse gelenkt. Anhand des Beispiels Unibrennt werden wir in diesem Zusammenhang auf ein „Realismusproblem“ hinweisen, welches das Handeln von Unibrennt strukturiert und den gesellschaftskritischen Impetus dieser Bewegung tendenziell absorbiert (3). Zusammenfassend wird diese Analyse theoriegeleitete Schlussfolgerungen für die politische Praxis von Protestbewegungen ermöglichen (4).
Marisol Sandoval, Sebastian Sevignani